Landheimaufenthalt: gestaltet, nicht verbracht

„Das Landheim ist keine schöne pädagogische Idee, sondern eine große Plage. Gepriesen sei die Schule, die keines hat; denn sie erfreut sich der Ruhe. Wenn es ihr noch beschieden war, keinen Sportplatz und kein Schwimmbad, keinen Theater spielenden Germanisten, keinen leidenschaftlichen Musiker zu haben, dann herrscht in der Schule nicht nur Ruhe, sondern sogar Totenstille.
Wenn eine Schule ein Landheim besitzt, muss sie es belegen und daher in den Lehrplan einbauen. [...] Das Landheim ist nicht Verflachung, sondern Zuspitzung der schulischen Arbeit. Wenn das Landheim keinen geistigen Gehalt hat, dann verkauft es!
Landheim ist Bildung der Klassengemeinschaft. In jedem Landheim (unser Landheim Holzhausen steht in einer fuchsreichen Gegend) sollte als Wandschmuck hängen: ‚So spricht der Fuchs zum Kleinen Prinzen: Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgendetwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufleute für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, so zähme mich!‘ (Saint-Exupéry) 
Zeit zum Zähmen haben wir wohl nirgendwo mehr als im Schullandheim!

Drei Arbeiten soll jede Klasse im Schullandheim leisten: 

  • [...] Als gute geistige Arbeit für das Landheim gilt die Eigenarbeit einer Gruppe mit dem Kassettenrecorder an ihren Aussprachefehlern (in allen Sprachen), die Lektüre und Interpretation eines geschlossenen Werkes, der Vergleich motivähnlicher Dichtungen, die Vorbereitung eines Dichter- oder Theaterabends; bereits die Kleinen werden hier mit den Elementen der dramatischen Kunst vertraut gemacht; [...] Die Musik des Landheimes wird stärker von der Jugendpsychologie als von der Ästethik bestimmt. Eine höhere Klasse kann auch einen kleinen Tonfilm über das Landheim drehen.
  •  Jede Klasse hat die Verpflichtung, einen Abend von etwa zweimal dreiviertel Stunden zu gestalten, am besten den letzten Abend. Der Lehrer greift nicht in die Vorbereitung ein, nur so lernt er den Geschmack der Jugend kennen, nur so kann er Geschmacksverringerung bekämpfen. Dies geschieht nicht unmittelbar nachher im Landheim, sondern gemeinsam mit den übrigen Lehrern der Klasse im Laufe des Schuljahres, wobei alle daran denken sollen, dass die Unkultur der Jugend meinst eine Folge der von Erwachsenen gezeigten Unkultur ist.
  • Erschreckt nicht gleich über das Wort ‚Arbeitsdienst‘! Anders erkennen die Klassen nicht, dass es ihr Landheim ist, anders gehen sie nicht behutsam mit der Einrichtung um. Wir müssen ihnen eine Arbeit zur Verbesserung des Landheims auferlegen. Es wäre pädagogischer Ausverkauft, wenn die Landheimfreude durch die Verfügung gestört würde, dass jeder Schüler täglich eine halbe Stunde (höchstens eine ganze) fürs Landheim erinnert. Manchem Buben, der ob seiner schwachen schulischen Fähigkeiten Minderwertigkeitsgefühle hat, strahlen die Augen, manchen Schülers Sprache wird freier nach einer wohlgelungenen Werkarbeit; mancher Schüler mit ausgezeichneten schulischen Leistungen verrät Charakterfehler, wenn er in der Bewährung einer Arbeitsgruppe steht.“

Soweit - leicht modernisiert und verändert - aus dem Jahresbericht 1966 / 67 unserer Schule. Wie beängstigend diese Passage doch ist, für Schüler gleichermaßen wie für Lehrer! Dabei ist sie schon stark gekürzt. Zum Glück gibt sich unser Kultusministerium da zur Zeit etwas bescheidener:

„Der Aufenthalt von Schulklassen und anderen schulischen Gruppen im Schullandheim dient der Verwirklichung des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule. Unterricht und Erziehung können hier in besonders sinnfälliger Weise miteinander verbunden werden. 

Das Zusammenleben im Schullandheim [...] fördert das gegenseitige Verstehen zwischen Lehrern und Schülern sowie der Schüler untereinander. Es empfiehlt sich, die Schüler dem Grad ihrer Verantwortlichkeit entsprechend an der Gestaltung des Schullandheimaufenthalts zu beteiligen. 
Die Lage des Schullandheims und die Besonderheiten der Umgebung beeinflussen Lernziele und Unterrichtsgestaltung. [...] Die Gelegenheit der unmittelbaren Begegnung mit der Umgebung, sei es im engeren heimatkundlichen Sinne oder sei in Bezug auf bestimmte geographische, biologische, historische oder wirtschaftliche Gegebenheiten, soll wahrgenommen werden. Hierzu eignen sich z. B. [...] geologische Besonderheiten, historische Bauwerke und andere Zeugen der Vergangenheit, landwirtschaftliche, handwerkliche oder industrielle Betriebe.“

Obwohl wir im Rupprecht-Gymasnium mit unseren Klassen nicht nur einmal in der gesamten Schulzeit, sondern viermal ins Schullandheim fahren (es soll hier durchaus einmal deutlich gesagt werden, dass dies ein beachtliches Engagement und eine zusätzliche Erziehungsleistung unseres Kollegiums darstellt) und dadurch die Belastung der Lehrerinnen und Lehrer auch viermal höher ist als an anderen Schulen, können wir den oben genannten Zielvorstellungen des Kultusministeriums doch ganz gut gerecht werden. 

Zum Einen lässt sich natürlich alles verbessern, zum Anderen müssen wir auch den ständig wachsenden Aufgaben gerecht werden, die Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit der Schule zukommen lassen. Hätte der Tag doch 25 Stunden! Nach der Renovierung der „Hardware“ des Hauses vor einigen Jahren wurde ständig an der Verbesserung der „Software“ gearbeitet:

Unser Schullandheim hat seit kurzem den in Deutschland einzigartigen und modernen Arbeitsschwerpunkt „Teamtraining und Kommunikationstraining“. Seit etwas mehr als einem Jahr wird das Haus von der engagierten amerikanischen Unternehmensberaterin Kay McLeod mit Material zu Team- und Kommunikationstraining versorgt. Daraus und aus Anregungen, die über Herrn Robert Stein von der Bayerischen Akademie für Schullandheimpädagogik kamen, konnten etwa 20 Spiele entwickelt und auf die Situation unseres Landheims zugeschnitten werden. Zusammen mit eigens in unserem Schulandheim entworfenen Spielen verfügt unser Haus nun über einen umfangreichen Fundus, der den an unserer Schule immer häufiger ankommenden teilweise perfekten Individualisten den Blick für Andere(s) öffnen könnte.

In einem Ordner und einem eigens dafür eingerichteten Spieleschrank liegen nun die plastifizieren Spielanleitungen und das gesamte für die Durchführung nötige Material bereit. Die Spiele sind nicht nur zum Zeitvertreib sondern als bewusste Aufarbeitung und Bewusstmachung von Kommunikations-, Kooperations- und Teamprozessen gedacht und deshalb auch mit Diskussionsanregungen versehen. Sie kommen meistens aus dem Bereich der Erlebnispädagogik, machen alle sehr viel Spaß (ohne ein Teammitglied bloßzustellen) und sind extrem motivierend.

Eine weitere Neuerung ist die Homepage des Schullandheim, die vom Wahlkurs Computeranwendung II völlig selbstständig erstellt wurde. Sie ist zwar immer noch in Arbeit, wird aber laufend verbessert und erweitert. Ein Besuch lohnt sich jedoch schon, denn es liegt bereits eine Fülle von Informationen und Bildern für Eltern, Lehrer und Schüler vor. Beispielsweise gibt es dort einen Rundgang durch's Haus, Bilder aus der Umgebung, Wander- und Ausflugsvorschläge und auch alle Jahresberichtspassagen des Rupprecht-Gymnasiums seit 1934 zum Thema Schullandheim (siehe oben). Historische Fotos werden noch eingefügt. Da wir über eine eigene Domain verfügen mit viel Speicherplatz, der uns freundlicherweise von der Firma „TP Networks“ kostenlos bereitgestellt wurde, findet man unsere Homepage ganz einfach unter www.schullandheim-holzhausen.de.

K. Bruckner